7
Jan
2015

Nachts, Teil 2

was vor ein paar Nächten noch nicht ging, kann- und möchte ich jetzt - mit etwas Abstand - schreiben..

Meine Mutter ist nun definitiv ein Pflegefall, zwar jetzt nicht komplett bettlägerig, aber die Zeiten der gemeinsamen Einkäufe sind ( hatte mal dazu auch einen Blog ) wohl vorbei.
Es tut schon etwas weh, weil wir beiden eigentlich Freundinnen waren, zumindest wurden wir das nach dem Tod meines Vaters. Vorher gab es eigentlich immer Differenzen, wenn auch keine schwerwiegenden. Aber nachdem mein Vater starb, erlangte sie eine gewisse Entspannung und sie hatte mehr Verständnis für meine Ansichten auf die Dinge des Lebens.

Jetzt ist es so, dass sie zwar dieser Freundin äusserlich noch ähnelt, aber vom Wesen her, ist sie zu jemand geworden, die ich (noch) nicht kenne. Ihr Gesichtsausdruck hat sich verändert, oftmals starrer Blick und wenn sie mich ansieht, dann ist es mehr ein "Durchmichdurchblicken", ich weiss nicht, ob das jetzt übertrieben, bzw. zu spirituell klingt, aber man sagt, wenn ein Mensch stirbt, dann sieht man es seinem Gesicht an, dass die Seele gegangen ist..Und bei meiner Mutter sieht es so aus, als hätte sich zumindest ein kleines Stück bereits von ihr verabschiedet....

Sie nimmt mich zwar schon noch wahr und redet auch mit mir, aber es fühlt sich so an, als wären alltägliche Sätze für sie inzwischen zu einer Art Fremdsprache geworden.

Auch wenn ihre krankheitsbedingte Veränderung sie dazu bringt, mich mit mehr Kosenamen zu betiteln, als sie es jemals vorher getan hat, fehlt doch die Herzlichkeit und das Liebevolle in den Worten..Und das fehlt mir jetzt schon...Klingt irgendwie egoistisch von mir, diesen Zustand von meiner Seite aus zu beklagen, kann ich doch nicht wirklich nachempfinden, wie es nun in ihr aussehen mag..Ich denke schon, dass es ihr bewusst ist, dass sich ihr Leben von jetzt auf nachher verändert hat, aber sie ist geistig nicht mehr in der Lager, mir einen Zweitschlüssel für ihre Sicht der Welt zu geben.

Den gab sie mir nach dem Tod meines Vaters, vorher hat sie nie wirklich über ihre Ängste, Gedanken oder Gefühle reden können. Sie nahm ihren Job als Mutter so ernst, dass sie immer für andere da war und ihre Bedürfnisse hintenangestellt hatte und nach aussen hin für jedermann sichtbar, die perfekte heile Welt darstellen, auch wenn es in ihrem Innern oftmals ganz anders aussah..Aber das ist wohl eine typische Verhaltensweise der Generation kurz nach Kriegsende..Genau aus dem Grund hatten wir oft heftige Auseinandersetzungen, weil ich mir diese heile Welt manchmal egal war und auch immer noch ist, wenn es mir nicht so gutgeht, dann darf das ruhig der eine oder andere wissen..Sie hätte beispielsweise nie so einen öffentlichen Blog geschrieben..Für mich ist das hier wichtig, ich kann noch nicht mal genau sagen warum, zumindest fühle ich mich ein wenig besser, wenn ich einen Beitrag geschrieben habe.

Natürlich - und das habe ich auch hier schon mehrfach erwähnt - habe ich auch sehr liebe und gute Freunde, denen ich vertrauen kann und die mir auch immer ihre Unterstützung und ihre Zeit zum Zuhören anbieten, aber das möchte ich nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, wenn es mir nicht gutgeht, weil ich der Meinung bin, dass durch ein häufiges Abladen von Seelenkummer eine Freundschaft auf Dauer darunter leiden wird. Und das ist es mir nicht wert, aufs Spiel zu setzen. Vielleicht ist dann auch ein plausibler Grund, warum ich dazu diesen Blog nutze...hier habe ich auch das gefühl, dass mir zugehört (zugelesen) wird, aber der- oder diejenige kann dann einfach weiterklicken..

In einer Freundschaft bleibt dann so etwas unter Umständen länger bestehen und kann den Umgang miteinander verändern, weil man vielleicht als Zuhörer unsicher werden könnte und dann vielleicht anfängt, Worte auf die Goldwaage zu legen, weil das Abladen des Seelenkummers irgendwann als Charaktereigenschaft angesehen werden könnte..

Das möchte ich nicht, auch wenn es heisst, dass Freunde auch dazu da sind, und das ist echt klasse, wenn das wirklich der Fall ist..aber mit ihnen lachen, Scheiss machen, oder im Café Wertnoten in puncto "Outfits der anderen Gäste" verteilen, hat einfach mehr das Zeug, für eine beidseitige Win-Win-Situation..Momentan sind ja übrigens diese Wikinger-Kunstpelzmützen mit Stoffhörnern anscheinend sehr angesagt, aber irgendwie sehen damit alle Träger so aus, als hätten sie das Haupt eines überfahrenen und ausgehöhlten Ikea Zwerg-Elchs auf dem Kopf..aber das nur am Rande..


..Deswegen müssen die Selbstverantwortung, wie man mit seinen Problemen umgeht und die Selbsteinschätzung, was und inwieweit man jemandem etwas anvertrauen kann, ohne dabei die Person zu überfordern, unbedingt erhalten bleiben, sonst wird man auf die Dauer zu einem hilflosen Menschen, der es sich in der Opferrolle mehr oder minder "gemütlich" macht und anstatt an sich zu arbeiten, sich selbst zu reflektieren, lieber anderen Menschen und Situationen die Schuld gibt, wenn wieder eine Downphase kommt..

Das wurde mir in den letzten Tagen wieder klar..Aus diesem Grund habe ich wieder begonnen, mich mit heiteren, leichteren Dingen zu beschäftigen und nicht soviel Zeit für Grübeleien zu vergeuden. Momentan ist das noch so eine Art Hausaufgabe, weil dieser Wunsch nach Heiterkeit noch nicht so ganz meinem inneren Zustand entspricht, aber wenn ich mich weiterhin meiner Downphase widme, dann werde ich irgendwann dran kaputtgehen und dafür ist mir mein Leben einfach zu schade..Ich werde zwar jetzt nicht gleich morgen früh meinen Tacker leeren, Konfetti in die Luft schmeissen und rufen "Alaaf, de Zoch kütt..", aber ich will auf alle Fälle wieder meinen Weg suchen, das beste aus dem zu machen, was mir das Leben bietet..Grosse Worte, gell, aber das kann ich wirklich am besten ( also jetzt nicht die grossen Worte, sondern das beste aus Situationen machen..)...;-).. Und ich weiss auch, dass ich es schaffen werde, und vor allen Dingen wird dann diese - momentan abklingende - Downphase ins "Erfahrungs-Album" eingeklebt und wird mir sicherlich zukünftig helfen, Krisen besser zu händeln..zumindest bin ich zuversichtlich genug, dies zu hoffen..

Ach ja...mir ist noch ein Grund eingefallen, warum ich diesen Blog schreibe, weil es unter Umständen "da draussen" jemanden geben könnte, dem es vielleicht manchmal ähnlich geht und da die meisten Menschen nun mal Herdentiere sind, könnte eventuell dann das Wissen "ich bin vielleicht doch nicht allein mit meinen Gefühlen und Erlebnissen" ein wenig Besserung bringen..wäre schön..

Gute Nacht..
380 mal gelesen
iGing - 7. Jan, 09:57

Also, mir jedenfalls gefällt Ihre Art, die Dinge, Personen und Verhältnisse zu reflektieren. Mit einer solchen Grundhaltung lässt sich das Leben bewältigen. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das auch in der neuen Situation mit Ihrer Mutter gelingt!

zwei-cent-senfglas - 7. Jan, 22:58

Herzlichen Dank für Ihre lieben Worte und Wünsche!

Und ich wünsche Ihnen, dass Sie noch sehr viele schöne Momente erleben werden, die als positives Fundament Ihrer Grundhaltung dienen können.
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