5
Mai
2015

Leben

Es geht mir gut, ist eine sehr inflationär benutzte Antwort, aber warum sagt man hier oftmals nicht die Wahrheit.
Im Letzten Blog schrob ich darüber, dass Haltung bewahren zur Zeit nichts für mich ist.
Mein Ego und ich führen sehr erbitterte Kämpfe im Moment. Das Ego war bislang immer Richtschnur, gab mir Sicherheit, aber auch nur deswegen, weil ich es bislang nicht anders kannte, als immer die Haltung zu bewahren. Ego und Haltung sehe ich im Moment als meine Stiefschwestern, die mir mit Hilfe der Angst verbieten, in ausgelassener Stimmung auf den Ball zu gehen, weil ich ja dort meinen gläsernen Zalando Schuh verlieren könnte und mich dann der leicht untersetzte Prinz mit Cambridge-Diplomaten-Diplom als Prinzessin auserwählt..( bin nüchtern, keine Sorge, aber mir kam grad dieses Bild vor Augen )

Stärke zeigen, den Eindruck erwecken als würde mich nichts erschüttern, das war mir immer wichtig. Warum war mir das wichtig, frage ich mich gerade? Vielleicht weil ich selbst mein grösster Kritiker bin, vielleicht weil ich selber den Eindruck habe, dass eine Behinderung ohnehin ein deutliches Zeichen von Schwäche ist und wenn ich dann auch noch charakterlich, bzw. seelisch Schwächen zeigen würde, dann wäre die Kacke nicht nur richtig am Dampfen, nein sie hätte sogar Thyssen-Krupp-Hochofen-Qualitäten.

Interessanterweise tritt jetzt hier aber das Leben in seiner Funktion als Lehrmeister in Erscheinung. (..Lächel was für ne Formulierung..einmal eine doppelte Portion Pathos für Tisch 3 )..

Bis vor 6 Monaten war mein Leben eigentlich noch so, wie ein Werbespot für Frühstücksmarmelade: Vogelgezwitscher und dazu noch als musikalische Untermalung die "Morgenstimmung" Peer Gynt von Edvard Grieg...hier ein Clip zum besseren Verständnis


https://www.youtube.com/watch?v=M7NLZDig9_U

Klar hatte ich damals auch schon Probleme, aber die wurden ( aus heutiger Sicht ) im VEB-Kombinat Ernst "Pille-Palle" Thälmann produziert..oder weniger schwülstig, sie waren harmlos im Vergleich zu jetzt..

Aber dann kam eine Breitseite von aussen nach der anderen..Moment, das ist jetzt kein Ausdruck von Selbstmitleid, sondern war eben so..Als die ersten Schüsse von aussen kamen, konnte ich sie noch wegwischen, den Staub abklopfen, das Krönchen zurechtrücken, den Kautabak ausspucken und weitermachen, aber die Schüsse hörten einfach nicht auf und irgendwann ging mir der Kautabak aus und ich hörte auch dann auf die Krone wieder grade zu rücken...wozu auch die Kammerzofe Klum aus Bergisch-Gladbach hätte eh kein Foto für mich gehabt.

Diese stetigen Grenzerfahrungen die ich derzeit erlebe, geben mir ein Gefühl, dass ich mich komplett aus dem normalen Alltag herausgerissen fühle. Planungen, Vorhaben sind derzeit genauso gut machbar, wie gutsitzende Haarverlängerungen bei Meister Proper.
Ich komme mir so vor, als würde ich zwar jeden Tag pünktlich an einer Tokioter U-Bahnstation stehen, aber sobald ich einsteigen will, werde ich von äusseren Umständen überrannt und der Schaffner schliesst dann vor meiner Nase die Tür und sagt "Kommen Sie morgen wieder, vielleicht haben wir dann noch einen Platz für Sie"...

Ich glaube, das Leben will gar nicht, dass man auf Dauer Haltung bewahrt. Weil Dir das auf die Dauer eh niemand abkauft, denn solch eine sture Haltung ist wie eine der Filmkulissen in Babelsberg. Von aussen eine perfekte Fassade, aber geht hinten um die Ecke, dann sieht man das Gerüst und die Stützbalken, die diese Fassade aufrecht erhält. Und kein Gerüst und kein Balken hält ewig, wenn sie immer wieder beschossen werden.

Sie sollen meiner Meinung nach auch gar nicht halten, weil eine Fassade nichts Menschliches hat, gleichwohl sie im ersten Moment Sicherheit ausstrahlt, aber irgendwann bröckelt auch die.

Bröckeln ist gut, das merke ich derzeit immer mehr..Klar macht dieser Zerfall auch Angst, was ich ja durch meine Panikattacken erlebt habe. Ich hatte während dieser Zeit noch nie soviel Schiss, als jemals zuvor in meinem Leben. In manchen Momenten war es so schlimm, dass ich einfach auf dem Balkon stand, bei Sonnenschein in zwei Jacken gehüllt und trotzdem war mir saukalt. Und mein Gedankenkarussell drehte sich so turbomässig, dass plötzlich der Motor so heiss lief, dass ich von einem auf den anderen Moment eine grosse Leere in mir verspürte..Kein Gedanke weit und breit, ich stand einfach nur da...kam mir vor, wie ein rohes Ei, dessen Dotter man durch eine winzige Öffnung mit einem Hochdruck-Schlauch pustet..
War schon irgendwie seltsam diese völlige Leere, andere bezahlen dafür ein Haufen Geld und fliegen eigens nach Fuerteventura, um diese Leere bei einem "wir medtieren uns nen Wolf und modellieren dabei unsere Namen mit Kartoffelsalat" Workshop zu erlangen..

Ich brauchte dazu nur eine pflegebedürftig werdende Mutter, eine Gebärmutterentfernung und drei Panikattacken pro Tag..

Haltung zu bewahren, das möchte ich nicht komplett verteufeln oder ab sofort meiden..aber ihr menschlichere Züge geben, das schon..

Denn wenn Du versuchst, sie sturheil aufrecht zu erhalten, dann bist Du wie ein Welpe der immer in die gleiche Ecke kackt und das Leben fungiert dann als Herrchen, das Dich immer wieder mit der Schnauze in den Haufen drückt und fragt "Willst Du wirklich damit weitermachen, was soll das?"

okay...ich überlege mir dazu mal eine Antwort, denn weitermachen ist nicht so prickelnd, das gibt nur krustige Kratzspuren vom Krönchen zurecht rücken..;-)..

Gute Nacht....
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