18
Jul
2014

was wird sein, was bleibt?

Gestern Abend war Nostalgie angesagt, beste Freundin kam spontan vorbei und wir liessen das Jahr 1988 aufleben, mit hochtpupierter Gedenkhaarfrisur und Dirty Dancing..zunächst war es sehr heiter, aber dann wurden wir nachdenklich und haben die die halbe Nacht geredet, auch über das, was mal sein wird und was bleibt, wenn wir mal nicht mehr sind.

Ja, vielleicht jetzt nicht DAS passende Thema für den Sommer, aber im Herbst/Winter darüber zu sinnieren, kann jeder. Ausserdem mag ich den Anachronismus, was vielleicht bedeutet, dass ich im Winter einen Blog über das Melonenschnitzen am Strand von Maui bei 32 Grad schreibe.

Das Thema Vergänglichkeit hat mich oft schon im Leben begleitet.
Begonnen habe ich damit im Alter von 5 oder 6. Es gab damals eine Sendreihe von Hoimar von Ditfurth mit dem Titel "Querschnitte" ( wahrscheinlich hatte ich damals schon Vorahnungen bezüglich meines späteren Lebens, dass ich diese Sendung so gerne sah..:-) )

Übrigens legte von Ditfurth den Grundstein für meine - die ganze Kindheit hindurch andauernde - Phobie vor Männern mit Bärten ( Hauptsächlich Vollbärte - Oberlippenbärte konnte ich einigermassen tolerieren ) und meine eigene Familie trug auch nicht dazu bei, meine Ängste dahingehend zu mildern, hatten doch alle 4 Brüder meines Vaters dichte Haarpelze um das Kauwerkzeug herum.
Wodurch Familienfeiern, bei denen es üblich war , kleine Nichten bei der Begrüssung fest an sich zu drücken und zu herzen, für mich in besonders traumatischer Erinnerung geblieben sind..


Zurück zur Sendereihe:
Darunter war eine Folge, in der er über den Hitzetod der Erde in ein paar Milliarden Jahren sprach, die Erde würde dann in der Sonne versinken und alles Leben auf ihr würde ausgelöscht.

Das Problem dabei war, dass für mich in meiner Funktion als Kleinkind ( drei Jahre vor der Einschulung ) die Zeitdauer "ein paar Milliarden Jahre" ungefähr so klang wie "nächste Woche Mittwoch"!

Mit anderen Worten, meine Mutter bekam einige Tage lang meine kindliche Endzeitstimmung sehr deutlich spüren.
Das war so der Zeitpunkt, an dem ich anfing Fragen zu stellen, was denn passiert nach dem Tod. Meine Mutter - austrainierte Katholikin - antwortete natürlich streng nach den vatikanischen Vereinsregularien, dass man nach dem Tod auferstehen würde und dann in den Himmel käme..dank meiner ziemlich lebhaften Fantasie und meinem kindlichen Defizit, die katholische Bildsprache richtig zu verstehen, weigerte ich mich danach auf Friedhöfe zu gehen, weil ich mir vorstellte, dass alle Nase lang, aus irgendeinem Grab irgendjemand in den Himmel schiessen würde, wie ein Silversterkracher..


Was aber immer wieder mal als Angst da war, war ( und ist ) die Vorstellung, "irgendwann bist Du nicht mehr"..hab mir den Moment vorgestellt..( bis heute, bleibt mir wohl auch erhalten ), ich bin auch nicht so abgeklärt genug, dass ich dann sagen kann "also Angst vor dem Tod habe ich nicht, nur vor einem eventuellen Leiden davor"..bei mir ist es dann in solchen Momenten "gehupft, wie gesprungen", mir macht beides Angst.
Aber trotzdem denke ich, dass es irgendwie weitergeht.

Das ist jetzt nicht religiös geprägt. Mir ist vom medizinischen Standpunkt her bewusst, dass ein nicht mehr funktionierendes Gehirn von aussen her betrachtet bedeutet, dass der menschliche Körper zur leblosen Hülle wird.
Aber ich denke, aufgrund der Fähigkeit, dass wir beispielsweise träumen können und Fantasien haben, baut sich dadurch der menschliche Körper eine Art Schutzmechanismus auf, damit man nicht in Panik gerät, vor diesem Moment.

Ich verbinde mit diesem Mechanismus die Vorstellung, dass jeder irgendwo in sich eine Art Filmvorführer hat, der ein Leben lang in einer Kammer sitzt und Zeitung liest und dann - wenn es soweit ist - genau den Film über das Leben nach dem Tod einlegt, den sich jeder vorstellt. Also ganz individuell. Vielleicht läuft bei denen, die glauben, nach dem Tod wäre alles vorbei, ein flimmerndes Schneebild ( so wie früher, als es noch kein Nachtprogramm im Fernsehen gab ) und andere treffen dann Verwandte und Freunde wieder.

Dieser Film ist unter messbaren, realen Bedingungen vielleicht nur einen Bruchteil einer Sekunde lang, aber für einen selbst, ist er ewig.

Vielleicht ist das auch die Erklärung dafür, dass ich die meiste Zeit über positiv gestimmt bin, weil ich das Gefühl habe, ich habe nicht soviel Zeit wie andere, und es mir deswegen besonders wichtig ist, dass in meinen Film viele schöne Momente enthalten sind, die ich zu Lebzeiten erfahren durfte wie zum Beispiel Begegnungen, Gespräche, Erkenntnisse, Musikstücke, die mich sehr bewegt haben und ganz viele Düfte ( beispielsweise das Rasierwasser meines Vaters, dass immer durch die Wohnung schwebte, wenn Samstag Badetag war..;-) )..oder dass es immer wieder Menschen gab, die für mich da waren, wenn ich Hilfe und Unterstützung brauchte, das ist keine Selbstverständlichkeit.

Was bleibt von mir..nun Materielles wird es wohl nicht sein, das habe ich schon bei drei Wohnungsauflösungen von verstorbenen Verwandten erlebt. Ist aber okay. Schlimm wäre für mich eher, wenn nichts mehr an mich erinnern würde, als hätte es mich nie gegeben. Okay aus rationaler Sicht, muss ich mich mit dieser "Erde zu Erde und Staub zu Staub " Nummer abfinden. Kann ich aber nicht so richtig. Zumindest nicht die ganze Zeit.

Deswegen ist es mir vielleicht auch so wichtig, dass ich viele interessante Menschen kennenlerne. Nicht nur, weil sie mich interessieren, sondern weil ich vielleicht dadurch auch die Chancen erhöhe, dass das etwas von mir beim einen oder anderen im Gedächtnis bleibt, wenn ich mal nicht mehr bin.
Und ich hoffe, dass es dann hauptsächlich nette Erinnerungen sind, was also für mich bedeutet, nicht zu einer grimmigen Nervzauselin zu mutieren. Zumindest arbeite ich daran, ist aber noch nicht ganz perfekt...;-)..

Deswegen wünsche ich jedem, dass er soviele schöne und erinnerungswürdige Momente wie möglich zu seinen Lebzeiten sammeln kann, damit der kleine Vorführer jedem seinen ganz besonderen Film zeigen wird.

Gute Nacht!!
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