8
Jul
2014

wen wundert's?..mich

Gestern Abend auf dem hiesigen Stadtfest habe ich wieder eine interessante Erfahrung mit einem etwas älteren Fussgänger gemacht. Er hat mich eine ganze Weile angesehen und dann kam er auf mich zu. Eigentlich hatte ich mit einem harmlosen Smalltalk gerechnet, vielleicht übers Wetter, oder dass manche Menschen auch in historischen Kostümen modetechnisch nicht wirklich gut rüberkommen.
Aber statt eines "Hallos" kam ein "ach herrje, Sie arme Frau, Sie tun mir so leid, dass ist wirklich schlimm"...Ich habe ihn leicht irritiert angesehen und wollte schon sagen "ja stimmt, mein Hugo-Cocktail ist dermassen süss, da sollte ein Warnhinweis für Diabetiker angebracht werden.."..

Aber er machte weiter "Der Rollstuhl ist echt schlimm, das ist doch kein Leben.." Okay..ich räusperte mich und spielte gedanklich "Schnick, Schnack, Schnuck", ob ich ihn nun anzicken sollte, oder erst mal ruhig bleiben..hatte mich vorläufig für Letzteres entschieden.

War ein wenig bizarr, die Situation..Der Bemitleider leidet mehr als die vermeintlich Bemitleidende ..war aber nicht das erste Mal..also spulte ich meine Standardsätze runter à la "Ist doch halb so wild.." "Laufen wird überbewertet".. "Und ich bin froh, dass ich den Rollstuhl habe, sonst müsste ich auf der Auslegware herumkriechen und sowas möchte ich weder mir, noch irgendeiner Auslegware antun"..
Normalerweise habe ich damit immer Erfolg, aber dieser ältere Herr war echt ein harter Brocken.

Deswegen habe ich ihn gebeten, zu gehen, bevor er noch in Tränen ausbrach, darauf hatte ich nun wirklich keine Lust, Verständnis hin oder her....gab ihm aber noch Nina Ruge's "Alles wird gut"-Zitat mit auf den Weg.

Nach solchen Begegnungen frage ich mich dann manchmal schon, welche Vorstellungen der eine oder andere über seine Mitmenschen hat. Ist es so eine Art Überlegenheits-App? Hat die vielleicht jeder? Denn habe ich mich auch schon ertappt, dass ich gedacht habe "Nochmal Glück gehabt", als ich auf jemanden traf, der stärker behindert war, als ich.
Vielleicht ist es dann das probateste Mittel, über den Dingen zu stehen und sich nicht davon einschüchtern zu lassen. Aber hin und wieder ist es notwendig, Dinge klarzustellen..

Beispielsweis habe ich vor kurzem ein Kompliment erhalten, welches scheinbar sicherlich bewundernd gemeint war, es aber doch bei mir einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlassen hat. Und zwar sagte mir diese Person, dass sie es ganz beeindruckend fände, dass jemand im Rollstuhl solche Gedanken in einem Blog schreiben kann..Mhmm..was hat das mit dem Rollstuhl zu tun? Das schöne am menschlichen Geist ist doch, dass er vollkommen frei und losgelöst von irgendwelchen körperlichen Einschränkungen agieren und formulieren kann. Er kann einem helfen, seinen Platz im Leben zu behaupten, egal wie die körperliche Gesamtsituation konzipiert ist.

Und er hilft Dir manchmal auch, Wege zu finden, Situationen erträglicher zu machen..Beispielsweise als ich damals auf der Intensivstation lag, kurz nach der OP, die mich zur Querschnitte machte, hatte ich wahnsinnige Schmerzen, konnte mich aber nicht mitteilen, also gab mein Geist den Befehl, mir immer wieder Haare am Pony rauszureissen, klingt erst mal heftig, aber brachte eine Schmerzverlagerung, wenn auch nur vorübergehend. Körper und Geist spielen manchmal nicht immer in der gleichen Liga, meist ist einer dem anderen überlegen, aber wenn es drauf ankommt, dann können sie im Team fungieren, ( bsp. Haare rausreissen ;-) )

Aber manchmal muss auch der Geist gebremst werden, sobald es zu Fehlfunktionen kommt, beispielsweise bei der Selbsteinschätzung, ganz lapidar ausgedrückt, wenn man anfängt sich selber Probleme zu machen, wo eigentlich gar keine sind.

Ich glaube, so merkwürdig das auch klingen mag, dass grade in solchen Momenten eine Behinderung vielleicht sogar eine Art Vorteil sein kann. Denn bei einer Behinderung kommen meist die Probleme von aussen, sodass Du eigentlich keine Zeit hast, Dir selber welche zu "züchten"..;-)..was mich aber auch trotzdem nicht davon abhält, mich immer mal wieder zu durchleuchten und vielleicht Defizite festzustellen, die andere gar nicht wahrnehmen.

So gesehen halte ich mich selbst für mein eigenes Disneyland. Ich bin dann ehrlich gesagt immer neugierig, was so alles in mir schlummert, mal bin dann stolz drauf, aber manchmal denke ich auch "also die Sache mit dem Ruhm bekleckern, hatte ich irgendwie anders in Erinnerung"..;-)

Das Unterbewusstsein spielt da oftmals eine zentrale Rolle. Dieses "Zusatz-Feature" des menschlichen Geistes ist oftmals sehr wichtig und hilfreich, aber manchmal ist das Ding empfindlicher eingestellt, als ein Rauchmelder in einem Atomkraftwerk.
Es neigt zur Übervorsicht und fungiert dann als Kandare, sobald es mit Situationen konfrontiert wird, die in der Vergangenheit mal schiefgegangen sind.
Wie wäre es also, wenn man dann - anstatt sich an die Kandare zu nehmen - stattdessen dem Unterbewusstein ein herzerfrischendes, grundehrliches "Halt doch mal die Fresse" an den Kopf knallt?

Problem-Wiederholungen empfinde ich als Stützräder an einem Kinderrad..sie geben Dir eine trügerische Sicherheit, nach dem Motto, "so war es schon immer - so wird es bleiben", sieht es aber nicht merkwürdig aus, wenn man als Erwachsener immer noch auf einem Kinderrad mit Stützrädern sitzt? Selbst wenn man dann die Stützräder entfernt, wird das Umfallen ja keine Endlosschleife..;-)
und für die paar mal Umkippen gibt's genügend Pflaster..;-)

Nur weil irgendwann mal was schiefgegangen ist, muss sich dass ja nicht immer wiederholen. Der Film "Und täglich grüsst das Murmeltier" hatte ja auch nach 102 Minuten ein nettes Ende..;-)



Wünsche einen WUNDERschönen Tag!

Moment...


..eine Sache gibt es aber noch, die mich immer wieder wundert, eigentlich eher annervt, von mir aus auch, ankotzt..diese Opferhaltung von einigen Behinderten, die im Selbstmitleid ertrinken und alles Scheisse finden..und sich ständig einreden, sie wären zu schwach und könnten sich nicht wehren..das wäre ja nicht das Problem, aber wenn dann von deren Seite die Behauptung aufgestellt wird, dass es pauschal allen Behinderten so geht und der Staat und die Gesellschaft sie ständig unterdrücken, missachten und diskriminieren , dann könnte ich echt kotzen....

Aber okay, jeder hat das Recht auf seine Sicht der Dinge, aber genauso hat jeder andere das Recht, diese Sicht bisweilen absolut nervtötend und Scheisse zu finden..;-)

...WUNDERschönen Tag, Klappe, die Zweite..;-)
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