8
Mai
2014

Bedienungsanleitung Kommentarfeedback

Liebe Pendi,
habe mir erlaubt, Deinen Kommentar hier nochmal reinzusetzen, weil es mir die Sache vereinfacht, darauf zu antworten:

"Mit der Zeit stumpft man ab. Zumindest beobachte ich das an mir. Da meine Erwartungen in den wenigsten Fällen erfüllt werden, lebe ich als Kastanie im Igel und wenn das Laub von den Bäumen fällt, rufe ich immer ganz laut "Hierher". ;-)
Manchmal gehst du mit deinen Mitmenschen ganz schön hart ins Gericht, liebe centi. Könnte es nicht sein, dass sie im Umgang mit dir unsicher sind, weil sie es nicht gelernt haben damit umzugehen. Dazu kommt noch, dass du eine sehr selbstbewusste und intelligente Frau bist. Da fühlen sich Menschen möglicherweise gleich doppelt und dreifach verunsichert. Sie befinden sich in einem Zwiespalt. Die Revolvergebrauchmachung, jetzt mal übertrieben, entfällt, weil sie denken, dass du geschützt werden musst. Oder? Ich glaube ich zerbreche mir schon wieder den Kopf. Aua.
Was ich dich noch fragen wollte...ich weiß nicht mehr in welchen Zusammenhang wo und wann ich gelesen habe, dass man statt Schwerbehinderter oder Koperbehinderung, besser Mensch mit körperlicher Einschränkung sagt. Stimmt das? Oder findest du das unsinnig?"

ich habe eine Wahnsinnsangst vor diesem Abstumpfen und komischerweise kann ich nocht nicht mal in mir selber erkennen, ob ich es nicht in Teilen schon bin. Was sich dann vielleicht zeigt, wenn ich tatsächlich mit Menschen hart ins Gericht gehe, weil ich mir vorab durch irgendwelche Äusserungen und Gesten schon eine stereotype Meinung gebildet habe und dann recht schnell ein Urteil fälle.
Obwohl das eigentlich merkwürdig klingt, denn ich wünsche mir ja auch, dass die Leute MICH sehen und nicht erst die Behinderung oder eine andere Facette an mir, aber wenn ich mit dem Leuten hart ins Gericht gehe, dann sehe ich diese ja auch nicht im ganzen als Person, sondern nur eine Facette/Äusserung etc an ihnen, die in mir ein deja-vue auslösen.
Das sind dann also die Erfahrungen, die man in der Vergangenheit mit jemand anderem gemacht hat, und jetzt jemand "neues" damit verurteilt, ohne wirklich dem Kennenlernen Raum und Zeit zu geben.

Es ist diese Totschlagsargumentation mit diesen Mustern/Erfahrungen, die einerseits Verständnis erzeugen (sollen?), warum man eben so denkt und handelt,
aber es macht (mich) auch bequem..naja vielleicht ist Bequemlichkeit nicht das richtige Wort, eher auch so eine Art Angst, neue Wege zu gehen, weil diese neuen Wege auch irgendwie ein Eingeständnis sind, dass die bisherigen Verhaltensweisen nicht richtig waren, bzw. sie stets dazu geführt haben, dass ich irgendwo in mir selbst einen Mangel verspürt habe..

Auch wenn ich es nicht zugebe, ist mir doch bewusst, dass ich zumindest rein körperlich vielleicht schützenswerter bin, als viele Nichtbehinderte, eben weil ich mehr (praktische) Hilfe brauche, auch wenn ich oft rüberkomme, als könnte ich auch die Welt mit meinem Batmobil "bezwingen", aber sobald eine Treppe kommt, oder der Fahrstuhl ausfällt, wird mir meine eigene Behinderung bewusst..und dieses Eingeständnis tut auch nach 20 Jahren hin und wieder immer noch weh..Aber ich hab trotzdem gelernt, auch damit irgendwie umzugehen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es dann auch eine Art Abstumpfen ist oder einfach nur kreativer Pragmatismus, der dann bei mir in Gang kommt..

Ich beschäftige mich des öfteren mit dem Abstumpfen und frage mich dabei, bin ich jetzt abgestumpft wegen der anderen, die meine Erwartungen nicht erfüllen, oder bin ich meinetwegen abgestumpft, weil ich es nicht schaffe, Menschen zu akzeptieren, auch wenn sie meine Erwartungen nicht erfüllen?

Aber es gibt da eine Sache, die mir oft Kraft gibt und vielleicht ist es das, was ich dann auch ausstrahle. Ich habe trotz all meiner harten Gerichtsnummern immer noch dieses Urvertrauen an das ( oder den ) da oben, das mir Zuversicht gibt, dass alles im Leben so kommt, dass es passend für mich ist, selbst wenn ich es am Anfang noch nicht verstehe. Und weil ich dieses Vertrauen habe, gibt es immer wieder Menschen, die sich mich an wenden, weil siefühlen, dass ich diese starke Gefühl habe und sich vielleicht erhoffen, dass ich ihnen was davon abgeben kann.

Ich denke, dass mir das schon gelingt, aber hin und wieder ist dann auch mein Akku leer und ich fange dann auch an zu hadern..

Und wenn das der Fall ist, dann muss ich mich zurückziehen..wobei es aber dann schon einen, besser gesagt zwei für mich sehr wichtige Menschen gibt, an die ich mich dann wenden kann..Aber manchmal reicht das auch nicht, zumal ich dann auch diese beiden nicht zu sehr überfordern will und mich dann komplett in meine Kastanie zurückziehe ( wunderbare Formulierung von Dir im Übrigen)..Aber in dieser Kastanie sind zwei "Einrichtungsgegenstände", die mir dann beim Aufladen des Akkus wieder helfen.
Zum einen ist es das Gedicht "Die Einladung / The Invitation" von Oriah Mountain-Dreamer..ich will jetzt hier nicht das ganze Gedicht posten ( es gibt zahlreiche webseiten, auf denen es im Ganzen zu lesen ist ) , dafür ist es zu lang, sondern nur die eine Passage, die mich dann immer sehr berührt:


"Es interessiert mich nicht, welche Planeten im Quadrat zu Eurem Mond stehen.

Ich möchte wissen, ob Ihr das Zentrum Eures Kummers berührt habt, ob Euch die Enttäuschungen des Lebens ( vielleicht verursacht durch andere ) geöffnet haben oder ob ihr zusammengeschrumpft seid und Euch aus Angst vor weiterem Schmerz verschlossen habt.

Ich möchte wissen, ob Ihr es mit dem Schmerz aushalten könnt - meinem oder Eurem eigenen - ohne den Versuch zu unternehmen, ihn zu verstecken, abzuschwächen oder zu fixieren....."


..naja und dann gibt es noch ein Lied, es ist von einer US-Soft-Rockgruppe namens Poison, die in den 80ern und 90ern recht erfolgreich war..Der Song heisst "Something to believe in" ( hier der Clip dazu http://www.dailymotion.com/video/x5k73i_poison-something-to-believe-in_music ),
darin geht es um einen Menschen, der soviel Leid, Enttäuschungen um sich herum erlebt und deswegen fast schon flehend bittet, dass er da oben ihm was geben soll, an das er glauben novh kann..übrigens der Sänger dieser Gruppe hat in diesem Lied auch versucht, den Tod seines Bodyguards und besten Freundes zu verarbeiten, ungefähr in der Mitte des Songs beschreibt er dies und man sieht, dass es ihm sehr nah geht, weil er beim "Lip-Sync" einen kurzen Moment inne hält.

Und genauso ein Mensch bin ich auch manchmal..aber dann passieren eben immer wieder kleine Wunder, dass dann etwas oder jemand auf der Bildfläche erscheint, der mir dann hilft, mein Hadern irgendwie in den Griff zu bekommen.

Beispielsweise bist Du auch so jemand, Dein Kommentar heute morgen war und ist sehr wichtig, denn wenn es niemanden gibt, der Nach- bzw. Rückfragen stellt, dann neigst Du dazu, Deine zum Teil ungerecht erscheinenden Handlungen fortzuführen und sie mehr und mehr zu verinnerlichen, selbst mit dem Wissen, dass sie nicht richtig sind..Danke dafür, liebe Bewohnerin der "Kastanienallee 1" ;-)..

Zum Abschluss noch meine Antwort zum Thema "neue Begriffsfindungen"..Also ganz offiziell heisst es wohl "Menschen mit Mobilitätseinschränkungen"..ich bleibe aber bei "Behinderte"..es ist eben dieser verbale Stepptanz auf einem "vermeintlichen" Minenfeld..Du willst niemanden auf die Füsse treten, also wühlst Du im Politcal Correctness Archiv oder Du zermarterst Dir ewig lange den Kopf, welcher Begriff nun ideal wäre, ohne dass es Prostest gibt..
Aber ich finde , durch diese Begriffssuche entfernst Du Dich immer mehr von den eigentlichen Personen, um die es geht, es geht nur noch um den Begriff..und der wirkt dann meist so steril und künstlich, dass es schon fast wieder komisch wird..

Vielleicht hat es wirklich was mit der wachsenden Empfindlichkeit zu tun, ich weiss es nicht genau..Aber man kann doch ruhig die Kirche im Dorf lassen, bzw das fliegende Spaghettimonster im Hangar ( für unsere atheistischen Freunde ) und was ist so schlimm am Begriff "Behinderte"..Interessant fand ich auch, als im letzten Jahr die Sinti und Roma den Namen "Zigeunerschnitzel" verbieten lassen wollten, nach mehr als 150 Jahren..warum jetzt erst und wie soll es dann heissen "Fleischscheibe nach Art eines Rotations-Europäers"? ....Ich wünsche Dir eine gute Nacht!!!
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